Die Raben des nordischen Hauptgottes Odin

Die Raben des nordischen Hauptgottes Odin

Zu den tierischen Begleitern des nordischen Hauptgottes Odin zählen zwei Raben, Hugin und Munin. Aus diesem Grund wird er in der nordischen Mythologie unter anderem auch als hrafnagud, Rabengott, bezeichnet. Die beiden Raben sind Symbol und Quelle seiner Weisheit. Jeden Morgen schickt er sie aus, um über ganz Asgard, die Heimat der Götter, und ganz Midgard, die Welt der Menschen, zu fliegen und Informationen zu sammeln. Rechtzeitig zum Frühstück kehren Hugin und Munin zurück und erstatten ihm Bericht über das aktuelle Weltgeschehen. Auf diese Weise stets auf dem Laufenden, ist Odin in der Lage die nächsten Handlungen von Göttern und Menschen vorherzusagen.

Raben in der nordischen Mythologie

Raben treten in der nordischen Mythologie häufig auf. Sie gelten als magische Wesen mit hoher Intelligenz. Tatsächlich waren sie wohl die intelligentesten Vögel, die den Menschen in Nord- und Mitteleuropa damals bekannt waren. Sie hatten die Fähigkeit das Sprechen zu erlernen und Lügen zu erkennen, was sie in einer Zeit, in der Neuigkeiten verbal weitergegeben und dabei oft zu Gerüchten entstellt wurden, zu idealen Nachrichtensammlern für Odin machte.

Die Namen der Raben Odins

Der Name Munin leitet sich von dem altnordischen Wort muna ab, das an etwas denken beziehungsweise sich erinnern bedeutet. Der Name des Raben ist also Erinnerung oder Gedächtnis. Tatsächlich hat die moderne Verhaltensforschung nachgewiesen, dass Raben ein sehr gutes Gedächtnis haben. Gleichzeitig deutet der Name aber auch darauf hin, dass nicht nur das aktuelle Geschehen, sondern auch die Erinnerung an vergangene Ereignisse eine wichtige Quelle der Weisheit Odins ist.

Der Name Hugin leitet sich von huga, denken, beziehungsweise hugi, Gedanke oder Sinn, ab. Auch er ist laut der Verhaltensforschung sehr treffend gewählt, da in Experimenten nachgewiesen wurde, dass Raben auch zum intelligenten Handeln, also zur Problemlösung durch Nachdenken und Erkenntnis, fähig sind. Der Name zeigt aber auch, dass neben dem Wissen um das Gegenwärtige und das Vergangene auch die Überlegung und Intelligenz wichtige Bestandteile der Weisheit Odins sind.

Quellen

Darstellungen von Reiterfiguren mit einem oder zwei Vögeln sind bereits aus der Zeit der Völkerwanderung bekannt. Es ist jedoch nicht eindeutig belegt, dass es sich dabei um Odin und seine Raben handelt. Ab dem 10. Jahrhundert tritt jedoch der Name hrafnagud für Odin in literarischen Quellen auf. Die Namen Hugin und Munin werden sowohl in der Lieder-Edda als auch in der Snorra Edda erwähnt.

In der Lieder-Edda tritt Hugin auch als Aasfresser auf, der das Blut Sigurds trinkt. Dies deutet darauf hin, dass Raben möglicherweise ursprünglich aufgrund ihrer Verbindung mit dem Tod auf dem Schlachtfeld als Begleiter des Schlachtengottes Odins gewählt wurden. Da die Namen Hugin und Munin vor der Edda nicht belegt sind, könnte es sich bei ihnen durchaus um eine spätere Neuinterpretation der Raben handeln.

Die Funktion der Raben als Sammler von Neuigkeiten wird in der Snorra Edda beschrieben, wobei in der englischen Übersetzung die Rückkehr und Berichterstattung zum Abendessen und nicht zum Frühstück erfolgt, was den Raben mehr Zeit für ihren Flug geben würde.

Auch im Grímnismál aus der Lieder-Edda wird jedoch auf den täglichen Flug der Raben Bezug genommen. Hier erklärt Odin zusätzlich, dass er Angst hat Hugin würde nicht heimkehren, sich aber noch mehr um Munin sorgt. Er ist sich also anscheinend der Gefahr bewusst, über Gedankengebilden den Bezug zur Realität zu verlieren, sieht im Verlust des Gedächtnisses aber eine größere Gefahr.

Verbindung mit Schamanismus

Vor allem im englischsprachigen Raum werden die Raben Odins auch mit Schamanismus in Verbindung gebracht. Der amerikanische Experte für das skandinavische Mittelalter John Lindow interpretiert die Aussendung von Gedanken (Hugin) und Geist (Munin) als Trancezustand. Odins Sorge, dass sie nicht zurückkehren könnten, würde sich dabei auf die Gefahren der schamanistischen Trancereise beziehen. Der Engländer Anthony Winterbourne sieht dagegen einen Zusammenhang mit Gestaltwandel, einem häufigen Thema in der nordischen Mythologie, und der Hamingja, die auch in Tiergestalt auftreten konnte.