Rand und Zentrum der Welt: Gebirge in Marokko

Rand und Zentrum der Welt: Gebirge in Marokko

Marokko ist klimatisch betrachtet ein zweigeteiltes Land. Direkt am Mittelmeer und Atlantik gelegen beherrscht den nordwestlichen Teil ein mediterranes Klima, während der Südosten an den Ausläufern der Sahara von Steppen- und Wüstenklima dominiert wird. Grund für diese Teilung ist die Geographie des Landes: Durch Marokko zieht sich ein großer Teil des bekanntesten afrikanischen Gebirges.

Das Atlasgebirge: Ein mythisches Phänomen

Der Atlas (5 Buchstaben im Kreuzworträtsel) ist das größte Gebirge in Marokko. Er zieht sich von Südwesten bis Nordosten quer durch das Land und sorgt für die unterschiedlichen klimatischen Bedingungen. Innerhalb der Grenzen von Marokko befinden sich der Hohe Atlas, der das Land von West nach Ost durchzieht, der Mittlere Atlas, der sich Richtung Nordosten anschließt, und der Antiatlas, der nach Südwesten vom Hohen Atlas abzweigt. Vom Mittleren Atlas am Mittelmeer entlang verläuft außerdem das Rifgebirge, ebenfalls Teil des Atlas, das den afrikanischen Rand der Straße von Gibraltar bildet.

Der Name des Atlas stammt aus der griechischen Mythologie. Der Sohn des Titanen Iapetos und Bruder (unter anderem) des Prometheus galt in der Antike nicht nur als König von Atlantis und Gelehrter, sondern vor allem als Träger des Himmels am westlichen Ende der Welt. Berühmte Darstellungen zeigen den Riesen, wie er mit Händen, Nacken und Kopf das Himmelsgewölbe über der Erde stützt. Laut Mythologie entstand das Atlasgebirge, weil Perseus, der Bezwinger der Medusa, bei Atlas um Gastfreundschaft bat und abgewiesen wurde. Erbost über die Unhöflichkeit des Titanensohns nahm er den Kopf der Medusa und richtete ihren Blick auf Atlas. Auch im Tod war der Blick der Medusa noch imstande, jeden zu versteinern, sodass Atlas zu einem riesigen Berg wurde.

Der höchste Berg des Atlasgebirges, der Toubkal mit 4167 m, liegt im Süden Marokkos und damit am westlichen Rand der bekannten Welt zu Zeiten der antiken Griechen. Vermutlich war er es, der den versteinerten Riesen darstellte, welcher den Himmel über den Köpfen der Menschen hält.

Weil für die Griechen der Name Atlas mit dem westlichen Ende der Erde gleichgesetzt wurde, wurde auch der Atlantik nach ihm benannt. Der Ozean bildete die Grenze der damals bekannten Welt.

Der Antiatlas: Der älteste Teil des Atlas

Geologisch betrachtet fällt der Antiatlas (9 Buchstaben im Kreuzworträtsel) im Vergleich zum übrigen Atlasgebirge aus dem Rahmen. Nicht nur, dass er als einziger Teil des Gebirges zur Afrikanischen Kontinentalplatte gehört, er entstand auch wesentlich früher als der restliche Atlas, nämlich im Jungpaläozoikum vor rund 500 Millionen Jahren.

In dieser Zeit stießen die beiden Urkontinente Laurussia und Gondwana zusammen. Die Landmassen wurden zusammengedrückt und türmten sich zu einem Gebirge auf. Beim Antiatlas handelt es sich demnach um ein Faltgebirge. Vulkanische Aktivitäten, die zur Entstehung des Hohen Atlas beitrugen, tauchen an dieser Stelle erst wesentlich später in der Erdgeschichte auf, nämlich etwa ab dem Eozän vor ca. 55 Millionen Jahren.

Klimatisch betrachtet ist der Antiatlas eher unwirtliches Gebiet. Der größte Teil des Gebirgszugs zählt zur Steinwüste, welche die Vorläufer der Sahara bildet. Einzig der Nordosten des Antiatlas, der an den Hohen Atlas anschließt, ist klimatisch günstiger gelegen. Die Steppenregionen des Antiatlas sind landwirtschaftlich essenziell, allerdings durch Überweidung gefährdet. In diesen Gebieten wachsen vor allem gegen Hitze und UV-Strahlung resistente Pflanzen, bevor die Landschaft des Gebirgszugs Richtung Süden in Halbwüste und schließlich in Wüste übergeht.

Das Rifgebirge: Die Brücke nach Norden

Das Rif (3 Buchstaben im Kreuzworträtsel), auch Rifatlas genannt (8 Buchstaben im Kreuzworträtsel), zieht sich vom Mittleren Atlas aus in einem Bogen nach Nordwesten am Mittelmeer entlang. Die Spitze des Gebirgszugs endet an der Straße von Gibraltar, die das Mittelmeer mit dem Atlantik verbindet.

Durch seine Nähe zum europäischen Kontinent war das Rifgebirge schon in der Antike ein stark umkämpftes Gebiet. Die Karthager, erbitterte Gegner des Römischen Reiches, übernahmen im 4. Jahrhundert vor Christus die Herrschaft über die nördliche Spitze des Rif von den Griechen. Im 2. Punischen Krieg übernahmen die Römer die Herrschaft, sodass das Rif beim Zerfall des Römischen Reiches an dessen Nachfolger, Byzanz, ging. Im 8. Jahrhundert nach Christus fiel die nördliche Region des heutigen Marokko unter arabische Herrschaft. Von dort aus gelangten die Araber und die mit ihnen verbündeten Berber auf die Iberische Halbinsel, die sie Jahrhunderte lang besetzt hielten. Noch immer finden sich in Spanien deutliche arabisch-berberische Einflüsse, vor allem in Architektur und Sprache, die ohne das Rifgebirge nicht möglich gewesen wären.

Bis heute bildet das Rif einen zentralen Übergang nach Europa und ist damit Ausgangspunkt für viele illegale Einwanderer, die über die Meerenge von Gibraltar übersiedeln.

Die politische Bedeutung des Rif zeigt sich unter anderem darin, dass noch zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts der Versuch unternommen wurde, die Region vom damals noch unter spanischem Protektorat stehenden Marokko unabhängig zu machen. Die Rifkabylen, berbersprachige Stämme, die ihren Namen vom Rifgebirge ableiten, proklamierten 1920 die Konföderierte Republik der Stämme des Rifs, kurz Rif-Republik genannt. Am 18. September 1921 wurde die Unabhängigkeit der Rif-Republik ausgerufen. Zu diesem Zeitpunkt war bereits der 3. Rifkrieg im Gange, den die Gründung der Republik ausgelöst hatte.

Der Krieg endete erst 1926 mit der Zerschlagung der Rif-Republik. Nachwirkungen hat der Krieg allerdings noch immer. Von französischer Seite wurde völkerrechtswidrig Senfgas eingesetzt. Hauptsächlich ist die Region um die Stadt Al Hoceima von der daraus entstandenen chemischen Verseuchung betroffen. Al Hoceima führt noch heute aufgrund der Nachwirkungen des Rifkriegs die Lungenkrebsstatistiken in Marokko an.

Gebirge in Marokko: Eine Reise durch die Geschichte der Erde, der Menschheit und der Mythen

Die Gebirge in Marokko spielen sowohl in der geologischen Erdgeschichte, wie auch in der politischen Geschichten der Menschheit und einigen der ältesten überlieferten Mythen eine zentrale Rolle. Ihre Lage im Westen der antiken Welt, der beeindruckende Anblick von Bergen, die tausende Meter in die Höhe ragen, und die Nähe zum europäischen Kontinent haben sie zu einem wichtigen Bestandteil unserer Geschichte gemacht.

Die Bedeutung der marokkanischen Gebirge hält bis heute an, sei es in den Nachwirkungen chemischer Kriegsführung, den arabisch-berberischen Einflüssen auf der Iberischen Halbinsel - oder in der Namensgebung von Gebirgen und Ozeanen, die in Kreuzworträtseln auftaucht.